Bandinterview: Eluveitie
Unser letztes Konzert des 12. Festival-Mediaval wird nochmals ein echtes Highlight. Die Schweizer Folkmetalband ist weltweit eine echt große Nummer. Fast 800.000 Follower auf Facebook sagen schon alles. Im November gibt es die Band übrigens Live auf CD, heute gibt es sie live beim Festival-Mediaval.
Die perfekte Einstimmung auch für das nächste Jahr mit dem Rock und Metalspecial. Ein Interview mit Chrigel Glanzmann ist somit Pflicht. Danke an Ihn für ein wirklich großartiges Interview, aber auch an all die anderen Interviewpartner unseres Mediaval-Boten. Wir wissen das wirklich sehr zu schätzen. Nun hat aber Chrigel das Wort, ich versprech Euch es wird hochinteressant, aber lest selbst.
Bei der zwölften Ausgabe des Festival Mediavals stehst Du mit Eluveitie nun endlich erstmals auch auf der Bühne in Selb. Was dürfen die Besucher denn vom heutigen Auftritt erwarten?Chrigel: Wir freuen uns sehr auf diese Show! Wir sind derweil mitten im Ategnatos Welttour Zyklus und voll 'warm gelaufen'. Die Besucher des Festival-Mediavals wird eine geballte Ladung Folk Metal mit voller Wucht treffen! Natürlich werden wir vieles von unserem neuen Album spielen, aber trotzdem auch viele Songs unserer kompletten Diskografie, inklusive akustischer Stücke!
Was erwartet ihr Euch denn von Selb. Und vom Festival. Was habt ihr denn darüber schon gehört?Chrigel: Gehört habe ich persönlich ehrlich gesagt noch nicht sehr viel davon. Denke, das geht uns allen so. Das dürfte aber auch primär daran liegen, dass wir fast konstant auf der ganzen Welt auf Tournee sind und von „zu Hause“ oft gar nicht so viel mitkriegen. Worin ich mir aber jetzt schon sicher bin, ist, dass wir alle – alle Festival-Besucher und wir – eine fantastische gemeinsame Zeit haben werden!
Die Bandgeschichte von Eluveitie ist ja durch den Weggang einiger Musiker in der Vergangenheit nicht unbedingt eine einfache. Inzwischen ist das aber alles Vergangenheit und der Auftritt den ich am Feuertanz Festival gesehen habe, hat gezeigt, dass Eluveitie nicht nur wieder eine echte Band sind, sondern vielleicht so gut wie noch nie. Wieviel Chrigel ist denn Eluveitie und wieviel Band? Und was bedeutet dir denn ein harmonisches Bandgefüge Chrigel?Chrigel: Das ist etwas, was sich im Laufe der letzten 17 Jahre eigentlich konstant verändert hat. In unseren Anfangs-Zeiten zu „Spirit“ und „Slania“ war Eluveitie schon sehr stark „Chrigel“. Das heisst, dass ich eigentlich komplett alles machte und quasi jeden einzelnen Ton für jedes einzelne Instrument komponierte. Das hat sich in den Jahren danach kontinuierlich verändert und mehr und mehr begannen sich auch andere Bandmitglieder einzubringen, was ich sehr schön finde. Diese Tendenz hat sich seit unserem zweiten Akustik-Album „Evocation II – Pantheon“ noch deutlich verstärkt. Auch wenn ich immer noch quasi die „Vision“ von nem Album, sein musikalisches und lyrisches Konzept vorlege, so ist's dennoch so, dass wir heute mehr als ganze Band zusammenarbeiten, als jemals zuvor. Wir befinden uns in einer sehr kreativen Phase, würde ich sagen. Ein harmonisches Bandgefüge ist für mich – und für uns alle – eigentlich das A und O! Klar, auf einem rein professionellen Level kann man als Band auch funktionieren, wenn nicht so ein harmonisches Gefüge da ist. Aber eben... es ist dann vielmehr ein „funktionieren“ als sonst etwas. Aber eine Band ist keine Firma! Es geht immer noch um Kunst und Ausdruck – das sind emotionale Dinge. Und ich bin überzeugt davon, dass man es der Musik anhört und einer Band live vor allem anmerkt und spürt, wie harmonisch das Bandgefüge ist, oder eben auch nicht!
Einen großen Anteil hat auch Fabienne Erni, die in Abenberg das Publikum mit ihrer Stimme geradezu weggeblasen hat. Auch in Selb wird das sicher so sein. Wie lange hast Du denn gesucht und wie findet man so einen perfekten Gegenpart zu Deiner Stimme?Chrigel: Ganz ehrlich, es dauerte Lange! Gut, dazu muss man halt auch bedenken, dass Anna wirklich große Fußstapfen hinterließ, die es zu füllen galt. Anna ist, meiner Meinung nach, eine der großartigsten Sängerinnen heutzutage! Insofern: Wir suchten lange. Und auch international. Ich tingelte Monate lang in Europa umher, traf mich mit Sängerinnen und machte Aufnahmen. Wir haben uns über hundert (!) Sängerinnen angehört. Und dann eines Tages kam da plötzlich Fabi daher – via unsern Gitarristen Jonas (die kannten sich flüchtig). Und genau so, wie es dem Abenberger Publikum ging, ging es uns damals auch. Ich kann mich noch an den Moment erinnern, als wäre es gestern gewesen: Ich saß gerade mit unserer Geigerin Nicole (die auch maßgeblich an der Sängerinnen-Suche beteiligt war) auf dem Balkon, als die Mail von Fabi mit ihrer Aufnahme ins Postfach flatterte. Gespannt öffneten wir gleich die mp3. Es dauerte knapp 3 Sekunden, Nicole und ich schauten uns an, hatten fast Tränen in den Augen und nickten uns zu. Unabhängig voneinander war uns beiden sofort klar: Sie ist es! Fabi ist nicht einfach nur gesangs-technisch eine unglaubliche Musikerin, sie hat einfach auch etwas, was direkt ins Herz geht.
2019 standet ihr ja auch auf der Metal Bühne schlechthin in Wacken und habt vor Menschenmassen einen tollen Auftritt hingelegt, den ich zum Glück, im Fernsehen mitverfolgen konnte. Wenn man diese Menschenmassen sieht und sieht wie ihr gefeiert wurdet, stellt sich die Frage, wie lange braucht man eigentlich um dann wieder im Alltag anzukommen?Chrigel: Das mag jetzt vielleicht etwas blöd und abgebrüht klingen... aber, das ist etwas, was man echt lernt. Ich meine, wie gesagt, wir touren viel, manchmal spielen wir an die 200 Konzerte im Jahr. Und wir machen das ja auch nicht erst seit gestern, sondern seit 17 Jahren. Da entwickelt man schon sowas wie eine berufliche Routine. Das soll allerdings nicht heißen, dass dies auf Kosten der Leidenschaft geht! Gar nicht. Wir freuen uns auf jede einzelne Show, die wir spielen, sind mit Leidenschaft dabei, genießen sie in vollen Zügen und sind dankbar dafür! Vielleicht geht das sogar erst recht dank der Routine, da man sich wirklich voll auf's Publikum einlassen und voll auf die Musik konzentrieren kann (ohne durch z.B. sowas wie Lampenfieber abgelenkt zu sein).
Das Jahr 2019 war ja für Eluveitie ein ganz besonderes. Wacken und Summer Breeze, dann das größte Mittelalterfestival in Selb und einige große Konzerte im Ausland u.a. Spanien, England und Frankreich. Das ist ja kaum zu toppen. Wie sind denn deine Pläne für die Zukunft lieber Chrigel?Chrigel: Nun, dieses Jahr kam unser jüngstes 'Baby' „Ategnatos“ zur Welt. Und der Ategnatos Welttour-Zyklus ist bis jetzt tatsächlich ziemlich umfangreich. Wir sind dieses Jahr eigentlich nur auf Tour. Wir begannen Ende Januar mit einer Südamerika Tour, im Frühling tourten wir dann durch Asien, danach durch Australien und Neuseeland. Pünktlich zur Festival-Saison waren wir wieder zurück in Europa und hatten tatsächlich den dichtesten Festival-Sommer unserer gesamten Karriere. Das Festival-Mediaval wird übrigens für uns die Abschluss-Show der Festival-Saison sein! Gleich eine Woche danach geht’s dann bis Mitte Oktober Übersee auf eine große Nordamerika Tournee. Dann haben wir zwei Wochen Pause und danach geht’s auf eine sehr ausgedehnte Europa-Tournee – bis kurz vor Weihnachten. Für dieses Jahr sind wir also schon mal beschäftigt! Nichts desto trotz haben wir natürlich durchaus Pläne, haha! Im November werden wir ein Live-Album „Live at Masters Of Rock“ veröffentlichen, was in diesem fantastischen Festival-Sommer entstanden ist! Darüber hinaus arbeiten wir an sehr coolen Projekten, über die ich im Moment aber noch nichts sagen darf. Aber wir werden in den kommenden Monaten mit ziemlich fetten News daherkommen!
Der Vorname Chrigel ist für Deutsche Ohren ja extrem ungewöhnlich. In der Schweiz gibt es ja noch einen bekannten Gleitschirmflieger mit demselben Vornamen aber auch da ist er recht selten denke ich. Kannst Du uns etwas darüber erzählen? Chrigel: Stimmt! Chrigel Maurer heißt der, oder? Ja, „Chrigel“ (oder auch „Chrigi“ & „Chrigu“) sind absolut gebräuchlich in der Schweiz. „Chrigel“ ist einfach die schweizerische Form von „Christian“, manchmal auch von „Christoph“. In meinem Reisepass steht „Christian“, aber keine Sau würde mich je so nennen. In der Schweiz heißt das einfach „Chrigel“. :)
Es gibt kaum eine Band die stilistisch so eine Bandbreite zu bieten hat. Da gibt es die ganz heftige Metalnummer mit ganz viel Gegrowle, aber auch eine ganz zarte, fast zerbrechliche Folknummer ist bei Eluveitie immer möglich. Und ihr könnt ja auch problemlos ein Folk-Unplugged Konzert abliefern, bei dem alle Zuhörer Gänsehaut bekommen würden. Ist das auch typisch für den Menschen Chrigel Glanzmann, der musikalisch sowohl die ganz ruhigen Töne wie auch das ganz brachiale liebt?Chrigel: Haha! Du kannst Sachen fragen! :) Ich weiß nicht, ob man das so betrachten kann. Musik ist für mich etwas sehr Emotionales. Für mich geht es immer um Gefühl und Atmosphäre. Meiner Meinung nach wird Musik dann zu guter Musik, wenn sie die Fähigkeit besitzt, dem Hörer Bilder vor sein inneres Auge zu zaubern. Und für mich sind beide Aspekte – das ganz zarte und das brachiale – Stilmittel. Ich empfinde das brachiale auch nicht einfach primär als „brachial“ und auch nicht zwingend den Gegensatz zu den zarten Klängen. Wie gesagt, es geht primär darum, eine Atmosphäre zu kreieren.
Ihr habt unfassbar viele Fans, allein auf Facebook fast 800.000. Das muss man erst mal schaffen, noch dazu, wenn man aus einem Land kommt, dass gemeinhin nicht als Nabel der Musikwelt gilt. Ich glaub aber selbst in der Schweiz seid ihr ziemliche Exoten als Folk-Metalband. Wie sieht es denn in der Schweiz mit der Musikszene und der Mittelalterszene aus?Chrigel: Ich glaube, unsere Geschichte in der Schweiz zeigt ziemlich schweizerisch das verkorkste Schweizer Selbstverständnis! :) Die Schweizer haben kulturell kein gutes Selbstbewusstsein. Wenn Herr und Frau Schweizer z.B. von einer neuen Schweizer Band hören, ist die erste Reaktion „Ach, es kommt aus der Schweiz? Dass kann ja nix sein, was taugt!“. So war es auch mit uns. Heute sind wir in der Schweiz durchaus ein Mainstream Act, laufen im Radio, sind im Fernsehen zu sehen und werden von der großen Tagespresse aufgenommen. Aber das ist erst seit einigen Jahren so. Und zwar mussten wir quasi erst über den großen Teich und in Trumpanien kehrt machen, um in unserer Heimat anzukommen. Als die Schweizer Tagespresse einmal mitkriegte, dass wir als Schweizer Band weltweit spielen haben und z.B. in den USA Headliner-Tourneen ausverkaufen, waren wir plötzlich interessant. Erst dann, haha!
Auf Euerer neuesten CD Ategnatos ist erstmals ein Streichquartett dabei. Hast Du schon mal darüber nachgedacht eine Tour mit Orchester und Chor zu starten, viele Songs bieten sich dazu ja geradezu an.Chrigel: Ja unbedingt! Mit Streichern und Orchestration arbeiten wir ja schon seit vielen Jahren. Bei Ategnatos war es einfach das erste Mal, dass wir so komplett ein fixes Streichquartett am Start hatten. Diese Idee geistert immer mal wieder in unseren Köpfen herum. Bisher war es logistisch einfach nicht machbar. Aber wer weiß, vielleicht eines Tages! Das würde ich schon sehr gerne mal machen!
Lass uns etwas in die Eluveitie Zukunft blicken, nach dem großartigen zweiten Akustikalbum Evocation II und dem erst erschienenen „Ategnatos“ wird es mit einem neuen Werk wohl etwas dauern, oder kannst Du dazu schon etwas sagen? Im Moment liegt aber sicher das Augenmerk auf die bevorstehende Tour mit Lacuna Coil. Wie soll denn das ablaufen, steht ihr eventuell sogar gemeinsam auf der Bühne? Chrigel: Wir freuen uns extrem auf die Tour mit Lacuna Coil! Das sind einfach ganz tolle Leute! Ob wir gemeinsam was machen werden? Gut möglich. Geplant haben wir bislang nichts in die Richtung, aber solche Dinge entstehen sowieso immer am besten spontan! Zu unserm nächsten Album kann ich in der Tat noch nicht so viel sagen. Das heißt, unser nächstes wird ja „Live at Masters Of Rock“ sein und im November erscheinen! Aber das nächste Studio-Album... nun, soviel kann ich verraten: Wir sind derweil bereits dabei, erste Ideen zu sammeln und werkeln an einem Konzept herum!
Zum Abschluss gibt’s noch einen kleinen Joker. Was wollt ihr denn unbedingt noch los werden? Was sollten die Leute unbedingt noch über Eluveitie wissen oder was ist Euch noch wichtig, was bisher nicht zur Sprache kam? Chrigel: Puh, Du fragst Sachen, haha! Ganz ehrlich gesagt: Ich bin sowieso der Überzeugung, dass sich jeder Mensch seine eigenen Gedanken machen und sich seine eigene Meinung bilden soll! Insofern, jeder nimmt Eluveitie ohnehin auf seine eigene Art und Weise wahr und denkt sich seine Sache dazu. Und das ist auch gut so!